Mittelland
Bonstettenpark
Bonstettenpark
Gwatt, bei Thun/ BE
Campagne mit illustrer Vergangenheit
Heute ahnt der Besucher kaum noch etwas von der früheren Bedeutung und dem Charme dieses Landgutes. Und wer weiss noch, welch prominente Gäste hier auf Besuch kamen? Es muss ein eindrucksvoller Ort gewesen sein. Die Tragik liegt darin, dass etwas ursprünglich Ganzes durch eine Strasse in zwei Teile geteilt wurde.
Der grössere, zum See hin liegende Teil erhielt den Charakter eines Naturparks. Diese weitläufige Anlage lässt sich mit Gewinn schon am Morgen besuchen. Zum einen wegen der Stimmung, zum anderen wegen der Begegnungen. Da trifft man die Jogger und Hundehalter auf ihrer morgendlichen Runde. Plötzlich steht man beim Grabstein des Lieblingshundes jener Gräfin Lambert, die im letzten Jahrhundert hier Hof hielt. Und der Mittfünfziger, der heute hier sein morgendliches Yoga praktiziert, erklärt mit Bestimmtheit, dass dies ein besonderer Kraftort sei.
Ganz anders hingegen der obere Teil, der noch deutliche Spuren des französischen Parkstils aufweist. Dieser Schlossgarten um das Landgut herum wird heute als Bellerive-Domäne bezeichnet, der grössere Teil zwischen Strasse und See als Bonstettenpark. Die gesamte Anlage erhielt ihre Kontur durch einen 200 Meter langen Kanal, der mit einer beidseitigen Allee die Mittelachse des Landsitzes markiert. In der Verlängerung dieser Achse wird der Blick über den See auf die dahinter aufragende Bergwelt geführt.
Geschichte
Wie kam es zu dieser eigenwilligen Gestaltung? Zunächst gab es das Herrschaftsgut derer von Strättligen. In einer Urkunde von 1273 ist ein Rudolf von Strättligen als Besitzer erwähnt. Den wesentlichen Kern der heutigen Campagne liess allerdings der Berner Staatsmann Emanuel Fischer in der Zeit 1763-1811 errichten. 1760 hatte er das Grundstück Gwatt erworben und begann Bellerive zu erstellen sowie den Kanal zum See hin anzulegen. Daran angrenzend liess Fischer die Wiese und ein Wäldchen nach symmetrischen Grundsätzen gestalten. Rund um die eigentliche Campagne wurden weitere Parkelemente angelegt: ein Parterre, ein Weiher, eine rückseitig vom Haus wegführende Allee.
Die eigentliche Originalität des Anwesens lag in der 550 Meter langen Richtungsachse mit dem Herrenstock als Zentrum. Gleichzeitig zeichnete sich schon der Übergang zur freieren Gestaltung im englischen Landschaftsstil ab. So liegt der wichtigste point de vue nicht mehr im Park selber, sondern in der Ferne bei der magischen Gebirgskette von Eiger, Mönch und Jungfrau. Solche Fokussierung lud zur gemütvollen Träumerei ein. Auch andere Elemente, wie die vielfach gewundenen Pfade beim ehemaligen „Lustwäldchen“ auf der Südseite des Kanals, sollten vor allem Stimmungen erzeugen. In den 1790er Jahren kam ein künstlich aufgeschüttetes Inselchen im See hinzu, das mit einem Kranz von Pappeln und einer Ermitage ausgestattet wurde. Mit dem Boot konnte man übersetzen und in der Abgeschiedenheit die Gedanken schweifen lassen. All das entsprach dem sentimentalen Naturverständnis jener Zeit sowie der in Mode gekommenen Kultur der Empfindsamkeit.
1820 kam der Einschnitt, indem die von Thun ins Simmental führende Seestrasse mitten durch das Landgut verlegt wurde. 1898 gelangte Bellerive dann in den Besitz der Familie Bonstetten, welche dem Anwesen mit üppig bepflanzten Beeten ein viktorianisches Gepräge gab. Im Stil der gerade aufkommenden Architekturgärten wurde die breite Mittelachse des Parterres angelegt sowie der aus einer Hecke geformte Laubengang und das Wasserbecken hinter dem Haus. Auch der englische Park am See wurde neu gestaltet, und zwar durch den namhaften Landschaftsarchitekten Adolf Ernst Vivell.
Mittlerweile hatte am Thunersee die Zeit des boomenden Tourismus begonnen. Adlige, Politiker, Künstler und allerlei Prominenz waren fasziniert von den Bergen, Schlössern und der prächtigen Umgebung. Goethe, Kleist, Mendelsohn, Brahms und Hodler waren schon hier. Aber auch gekrönte Häupter der europäischen Höfe und Schweizer Patrizier kamen. Nach der Heirat von Bonstettens Sohn mit der Baronin Betty Lambert (1921) reiste nun auch der Hochadel, Diplomaten und weitere Künstler zu ihr ins Gwatt. Die Baronin inszenierte sich als feudale Gastgeberin, so dass der Maler Marc Chagall, der monegassische Fürst Rainier mit Grace Kelly, Greta Garbo, Carl Zuckmayer und andere zu gern gesehen Gästen wurden.
Seit 1960 befindet sich das Gut im öffentlichen Besitz des Kantons Bern und der Stadt Thun. Im Bellerive wird heute die Musikschule der Region beherbergt und für die gesamte Anlage wurde 1997 ein Nutzungskonzept erarbeitet, das fortlaufend umgesetzt werden soll.
Entdeckungen
Ein Rundgang könnte gut im oberen Teil beginnen. Kommt man auf der Strasse von Thun, so liegt rechts die Campagne mit dem daran anschliessenden Ehrenhof, links der weiträumige Naturpark. Vom einstigen Glanz ist heute, nach all den Eingriffen, kaum noch etwas zu erkennen. Der barock strukturierte Garten wurde mit verspielten Versatzstücken des Rokoko aufgelockert. Das ursprüngliche Broderieparterre seitlich des Hauses wurde in den 1920er Jahren zu einer Anlage mit dezentralem Weiher, Buchshecken und Laubengang umgestaltet sowie mit einer kleinen Amor-Skulptur geschmückt. Doch der Blick gleitet weit darüber hinaus auf die mächtige Stockhornkette im Hintergrund.
Der rückseitige Gartenteil wird von Linden und Hainbuchenhecken gerahmt und führt hinter dem Weiher durch ein Gittertor mit Vasenpostamenten in eine aufs freie Land laufende Ahornallee. Ursprünglich wurde der Blick dabei auf einen kleinen Pavillon geleitet, der mittlerweile abgebrochen wurde.
Auf der anderen Strassenseite liegt der Seepark, in dem die Ahorn- und Kastanienalleen dominieren. Sie begleiten den von einem Schilfgürtel umstandenen Kanal und geben der ganze Anlage eine klare Ausrichtung. Die in den 1930er Jahren um zwölf Meter nach aussen gesetzten Alleen wurden für einige Zeit zur Flaniermeile.
Wenn man sich nach rechts hält, führt der Rundweg zum ehemaligen Lustwäldchen. Dieser ursprünglich romantisch gestaltete Ort wurde im Laufe der Zeit von der Natur zurückerobert. An der Kanalmündung liegt das Bootshaus. Wo sich heute der schlichte Steg über den Kanal befindet, befand sich ursprünglich eine eindrucksvolle Bogenbrücke im chinesischen Stil.
Auf der linken Seite des Kanals gelangt man in den um 1930 angelegten englischen Landschaftspark, unter anderem mit der mächtigsten Moorbirke Mitteleuropas (4,5 Meter Umfang). Rechter Hand, im See, befindet sich die künstlich aufgeschüttete Insel. Auf dem Rundweg zurück zum Herrenhaus gelangt man zum Föhrenwäldchen auf einer Halbinsel, zu einer mehrteiligen Eisenplastik der Bildhauerin Gillian White von 1992 sowie zu zwei mächtigen Hängebuchen. Ursprünglich war dieser Parkteil noch mit allerlei Lustbarkeiten ausgestattet. Da gab es eine Brücke mit chinesischem Pavillon, eine Ermitage auf der Insel, einen Tempel im Wäldchen. All dies ist heute nicht mehr erhalten.
Für die kommenden Jahre ist wiederrum eine Umgestaltung des Bonstettenparks geplant, die vor allem zu einer Entflechtung unterschiedlicher Bedürfnisse führen soll. So soll der Spielplatz am Seeufer entfernt und die freiwerdende Fläche in eine Vogelinsel umgestaltet werden. Im Weiteren soll der Kanal herausgeputzt und vom Schilf befreit werden. Auch an einer Optimierung der Freizeitaktivitäten unterschiedlichster Benutzergruppen wird gearbeitet. Man darf gespannt sein.
Adresse
3645 Gwatt, bei Thun/ BE
Gwattstrasse
Frei zugänglich. Eintritt frei.